Ein Ballungsraum wie FrankfurtRheinMain ist oft hoch verdichtet und in der Folge vielfach stark versiegelt. Das gilt vor allem für Industrie- und Gewerbegebiete. Es entstehen sogenannte Wärmeinseln, wodurch urbane Zentren teils zwei bis dreimal so viele Hitzetage im Jahr verzeichnen wie ihr Umland. Der Klimawandel hat diesen Effekt verstärkt – eine Belastung für die Menschen, die hier leben und arbeiten. Regen kann auf der anderen Seite bei einem hohen Versieglungsgrad nicht versickern, der Boden speichert kaum Wasser, der Grundwasserspiegel sinkt. Bei Starkregenereignissen kann die Kanalisation die Wassermengen nicht auffangen, Keller und Gebäude laufen voll.

Investitionen in Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen sind nicht günstig. Doch die vermiedenen Schäden übersteigen die Investitionen deutlich. Wer ein Quartier im Sinne der Nachhaltigkeit aufwertet, steigert damit zugleich die Aufenthaltsqualität. Und kann auch noch Kosten reduzieren, etwa indem Energieeinsparpotenziale gehoben werden. „Unternehmen und Kommunen sollten sich mit dem Thema auseinandersetzen – aus eigenem Interesse und aufgrund steigender gesetzlicher Vorgaben. Setzen sie Maßnahmen gemeinschaftlich um, profitieren alle Beteiligten“, sagte Dr. Daniel Theobald, Leiter des Geschäftsbereichs Unternehmen und Standort der Industrie- und Handelskammer (IHK) Darmstadt, als am 4. Juli in der IHK die Abschlussergebnisse des PERFORM-Projekts „Zukunftsfähige Gewerbegebiete: Synergie im Quartier“ vorgestellt wurden.

Bestandsaufnahmen, Mängelanalyse und Lösungsansätze

Unter Federführung der IHK Darmstadt und mit Unterstützung der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main sowie der Gemeinde Alsbach-Hähnlein und der Stadt Rüsselsheim am Main haben Studierende der Hochschule Darmstadt und der Hochschule Rhein-Main zwei Gewerbegebiete für die Wirtschaftsinitiative PERFORM dahingehend untersucht, in welchen Bereichen sich eine stärkere Kooperation zwischen den dort ansässigen Unternehmen untereinander sowie mit den Kommunen anbietet, um die Standortbedingungen zu verbessern und zu mehr Nachhaltigkeit beizutragen. Denn, so die Studierenden bei der Abschlusspräsentation: Ein großer Teil der Grundstücke in den untersuchten Gebieten gehört nicht den Kommunen, sondern den Betrieben. Quartiere zukunftsfähig zu gestalten, sei somit eine Gemeinschaftsaufgabe.

In ihrer Bestandsanalyse der Gewerbegebiete „Hasengrund“ in Rüsselsheim am Main und „Sandwiese“ in Alsbach-Hähnlein orientierten sich die Studenten am DGNB-System für nachhaltige Quartiere: Sie bewerteten etwa Flächeninanspruchnahme und -effizienz, Stadtklima, Wasserkreislauf, Biodiversität, Verkehrsinfrastruktur und Mobilitätsangebote, Energieinfrastruktur, soziale Infrastruktur und mehr. In einem Workshop wurden erste Analysen und Lösungsansätze mit Vertretern der Kommunen und den dort ansässigen Unternehmen diskutiert und anschließend weiterentwickelt.

Der „grüne Fluss“, die mobile Kantine und weitere Ideen

Die Ergebnisse können sich sehen lassen. So sind beide Gebiete verkehrstechnisch sehr gut angebunden, jedoch stark versiegelt, weisen hohe Hitzebildung auf und Oberflächenwasser kann kaum versickern. Speziell in Rüsselsheim hat dies in der Vergangenheit bei Starkregen zu Überschwemmungen geführt, und Grundwasser wird kaum neu gebildet. In Alsbach-Hähnlein ist das Gewerbegebiet durch Bahnschienen zweigeteilt. Da es nur eine Überquerungsmöglichkeit gibt, können die ohnehin wenigen Angebote für die Mittagspause von Mitarbeitenden nicht gut erreicht werden. Ein großer Teil der Gebäude stammt zudem aus den 70-ger Jahren. Viele entsprechen nicht den aktuellen energetischen Standards. Fotovoltaikanlagen sind eher im neueren Teil der „Sandwiese“ zu finden. Die Energieeffizienz ist auch im „Hasengrund“ in Rüsselsheim insgesamt verbesserungswürdig und die Energieversorgung aus nachhaltigen Quellen stark ausbaufähig.

Die Ideen der Studierenden, die Standortbedingungen der untersuchten Gebiete insgesamt attraktiver und nachhaltiger zu gestalten, reichen beispielsweise von Mobilitätsumfragen über die Aufwertung erlebbarer Freiflächen, Begrünungsmaßnahmen des öffentlichen Raums und der Firmengelände bis hin zu Tempo-30-Zonen und der Änderung der Verkehrsführung von Pkw-, Bus- und Radrouten. Simple Maßnahmen, großer Verbesserungseffekt. Mobile Gastronomieangebote als „Kantine auf Rädern“ böten sogar neue Geschäftschancen. Besonders hervorzuheben: der „grüne Fluss“ für Rüsselsheim. Diese Grünverbindung würde sich über mehrere Straßen ziehen und für ein deutlich angenehmeres Stadtklima, einen verbesserten Wasserkreislauf mit Versickerungs- und Speichermöglichkeiten und mehr Verkehrssicherheit sorgen. Durch die Verkleinerung der Straßenbreite oder die Umwandlung in Einbahnstraßen könnte Raum für Grün- und Schutzstreifen, Fahrradwege sowie Parkmöglichkeiten geschaffen werden. Für Alsbach-Hähnlein empfehlen die Studierenden, ein Quartiersmanagement für die Entwicklung des Gewerbegebiets einzurichten.

Ein Punkt, der nicht nur für die untersuchten Gewerbegebiete gilt: Lockerungen von Auflagen und weniger Bürokratie würden dazu beitragen, mehr Synergien im Quartier nutzen zu können. So produzieren Unternehmen, die über eigene PV-Anlagen verfügen, häufig mehr Energie, als sie für ihren Eigenbedarf benötigen. Wollen sie diesen an ihre Nachbarn weitergeben, gelten sie als Stromhändler. „Das bedeutet hohen Aufwand und zusätzliche Kosten, warum sich Unternehmen in aller Regel dagegen entscheiden“, erklärt Dr. Daniel Theobald. „Ich würde mir wünschen, dass Dinge wie die Energieweitergabe im Quartier vereinfacht werden. Das käme den Unternehmen, der Gemeinde und dem Klima zugute.“

Weitere Informationen zum Projekt „Zukunftsfähige Gewerbegebiete“ mit dem aktuellen Schwerpunkt „Synergien im Quartier – Gemeinsam zu mehr Nachhaltigkeit“ gibt es unter: www.ihk.de/darmstadt

Foto: PERFORM GbR / Markus Schmidt

Veronika Heibing ist Geschäftsstellenleiterin und in Personalunion Leiterin Kommunikation und Marketing der PERFORM GbR. Fotonachweis: IHK Darmstadt

Veronika Heibing

Leiterin der Geschäftsstelle und Pressesprecherin,
PERFORM GbR
06151 871-1169
Susanne Roncka, Referentin Standortentwicklung, IHK Darmstadt

Susanne Roncka

Referentin Standortentwicklung, Bauleit- und Regionalplanung, IHK Darmstadt
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